Psychologie zu verstehen, bedeutet auch, Entscheidungsprozesse zu begreifen. Denn vieles von dem, was wir zu wissen glauben – darüber, wie Entscheidungen entstehen und warum Conversions erfolgen – ist weit weniger eindeutig, als es zunächst scheint.
Viele Menschen glauben, logische Argumentation mit Fakten, Zahlen und Produktspezifikationen sei der beste (und einzige) Weg. Tatsache ist jedoch, dass das Gehirn stark emotional geprägt ist.
Ein besseres Verständnis dafür, wie das Gehirn Entscheidungen trifft und wie emotionale Überzeugung funktioniert, kann dir helfen, deine Conversion zu steigern (und damit auch deine Gewinne).
Was ist emotionale Überzeugung?
Emotionale Überzeugung bedeutet, sich der emotionalen Verfassung deines Publikums bewusst zu werden und entsprechende Emotionen hervorzurufen, um es zu den gewünschten Handlungen zu bewegen. Emotionale Überzeugung dreht sich darum, die Gefühle einer Person zu nutzen, um deren Denken und Verhalten zu beeinflussen.
Warum ist emotionale Überzeugung wichtig?
Menschen neigen dazu zu glauben, dass sie logische Wesen sind, die logische Entscheidungen treffen, insbesondere wenn es um den Umgang mit Geld geht.
Hier kommt die Dual-Process-Theorie ins Spiel, die besagt, dass es in jedem Gehirn zwei unterschiedliche Systeme gibt: System Eins und System Zwei. System Eins ist dein emotionaler Prozessor. Er funktioniert automatisch und unbewusst. System Zwei ist dein logischer Prozessor. Er ist kontrolliert und bewusst, aber viel langsamer.
System Zwei ist leicht erschöpfbar, da es langsam ist und deine volle Konzentration erfordert. Je mehr Zeit du damit verbringst, kritisch nachzudenken, desto weniger wird System Zwei aktiv, wenn es an der Zeit ist, eine Entscheidung zu treffen. System Eins hingegen ist immer präsent, weshalb du möglicherweise zunächst eine emotionale Entscheidung triffst und diese später rationalisierst.
Stell dir vor, du hättest spät in der Nacht nach einem langen Arbeitstag einen teuren Kleidungsartikel online gekauft. Am nächsten Morgen wird System Zwei dir wahrscheinlich versichern, dass der kostenlose Versand und ein bevorstehendes Ereignis den teuren Kauf völlig logisch machen.
System Eins spielt also eine große Rolle bei der Entscheidungsfindung, oder? Dennoch wird im Marketing fast ausschließlich System Zwei, der logische Prozessor, angesprochen. Selbst wenn dein Produkt die logischste Option in deiner Branche ist, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass das System Zwei deiner Kund:innen zu diesem Zeitpunkt erschöpft ist und sie auf System Eins zurückgreifen.
System Eins und System Zwei arbeiten als Team bei der Entscheidungsfindung, und idealerweise sollte dein Marketing beide Systeme überzeugen. Wenn du jedoch zwischen den beiden wählen musst, solltest du dich für System Eins entscheiden, da es unerschöpflich ist.
Menschen sind emotional und treffen größtenteils emotionale Entscheidungen. Es ist an der Zeit, entsprechend zu optimieren und Strategien zur emotionalen Überzeugung einzusetzen.
Wie emotionale Überzeugung funktioniert
Emotionale Reaktionen werden von zwei zentralen Faktoren bestimmt: Valenz und Erregung. Valenz beschreibt, ob die Emotion positiv (hoch) oder negativ (niedrig) ist. Erregung beschreibt, ob die Emotion aktiv (hoch) oder inaktiv (niedrig) ist.
Es gibt Hunderte von verschiedenen Emotionen, die du hervorrufen kannst, daher ist es hilfreich, in Bezug auf Valenz und Erregung zu denken. Wo steht dein Geschäft und wo stehen deine Produkte? Wo sollten sie, basierend auf deinen Zielen, stehen?
1. Niedrige Valenz, hohe Erregung
Im Wesentlichen rufst du Angst und intensive negative Emotionen bei deinen Besucher:innen hervor. Es ist ein gewagter Schritt, der nur selektiv funktioniert. Politische Kampagnen und teilweise auch Werbung von wohltätigen Organisationen nutzen häufig Texte und Designs mit niedriger Valenz und hoher Erregung, um Menschen zur gewünschten Handlung zu bewegen.
Wenn auch riskant, funktioniert dies aufgrund eines kleinen kognitiven Bias, der als Negativitätsbias bekannt ist. Dieser besagt, dass starke negative Reize einen größeren Einfluss auf psychologische Zustände und Prozesse haben als starke positive Reize. Ein Beispiel dafür ist, wenn Marken Knappheit nutzen, um ein Gefühl der Dringlichkeit zu erzeugen. Negative Emotionen tragen auch zu höherer Viralität bei.
Diese Taktik wird jedoch im E-Commerce nicht häufig verwendet.
2. Hohe Valenz, niedrige Erregung
Emotionale Überzeugung mit hoher Valenz und niedriger Erregung basiert oft auf Humor.
Humor ist eine Überzeugungstechnik, weil deine Kund:innen sich nicht nur eher an lustige Erinnerungen erinnern, sondern diese auch eher teilen.
Aber warum?
- Das Element der Überraschung. Humor ist oft unerwartet; er ist ungewöhnlich.
- Humor lenkt das Gehirn von der Tatsache ab, dass ihm etwas verkauft wird.
- Lachen macht uns glücklich!
3. Niedrige Valenz, niedrige Erregung
Traurig, aber ruhig. Es mag seltsam klingen, aber es ist tatsächlich eine recht gängige Technik. Traurige Menschen suchen sofortige Befriedigung anstelle von langfristigen Belohnungen, selbst wenn die langfristige Belohnung die logischere Wahl ist.
Solange der Preis niedrig ist, wird deine glückliche Lösung für etwas Trauriges fast unwiderstehlich erscheinen.
Nimm WWF als Beispiel, der traurige Fakten über gefährdete Arten liefert und es Besucher:innen ermöglicht, zu wählen, wie und wo sie helfen möchten.
Sie können beispielsweise 100 Euro oder weniger ausgeben – was wie eine einfache Wahl erscheint.
Dieses Vorgehen unterscheidet sich vom ungewöhnlichen Vorgehen “niedrige Valenz, hohe Erregung”, weil zwar Traurigkeit hervorgerufen wird, aber inaktiv ist. Vergleiche zum Beispiel eine aktive Darstellung von offener Tierquälerei mit der eher inaktiven Technik des WWF.
4. Hohe Valenz, hohe Erregung
Alles, was ein Publikum fesselt oder inspiriert, fällt in diesen Sektor. Dazu gehören Geschäfte, die dich dazu ermutigen, das Beste aus dir selbst zu machen und eine neue positive Handlung auszuführen.

Dazu gehören etwa Marken für gesundheitsfördernde Produkte wie prepmymeal. Die Shop-Homepage verspricht, Besucher:innen dabei zu helfen, Zeit zu sparen und sich trotzdem Gesund zu ernähren und fit zu bleiben.
Denk für die emotionale Überzeugung daran, dich auf den Nutzen zu konzentrieren und nicht auf die Produktmerkmale, um diese positiven Emotionen hervorzurufen. Menschen kaufen keine Produkte – sie investieren in bessere Versionen ihrer selbst. Dies ist besonders relevant für Ansätze mit hoher Valenz und hoher Erregung.
Wie du emotionale Überzeugung einsetzt
Bevor du beginnst, gibt es noch einige Dinge, die du wissen solltest. Emotionen sind allgemein schon sehr kompliziert, geschweige denn als Überzeugungsmittel.
Definiere einen klaren Prozess
Emotionen sind chaotisch und komplex. Deshalb ist ein klar definierter Prozess, an den du dich halten kannst, umso wichtiger. Du kennst zwar die Grundlagen, hast einige Beispiele gesehen, aber das reicht nicht aus. Du musst wissen, wie du deine Techniken der emotionalen Überzeugung auf deine spezifische Zielgruppe anwenden kannst.
Talia Wolf von GetUpLift ist eine führende Expertin für emotionale Überzeugung. Sie war netterweise bereit, den eigenen vierstufigen Prozess zu teilen:
- Lerne deine Kund:innen kennen. In dieser Phase ist es das Ziel, in den Kopf der Kund:innen einzudringen. Es gilt, ihre emotionalen Antriebe, Bedenken, Motivationen und wahren Absichten zu verstehen. Nutze Heatmaps, Google Analytics und andere Analysetools, um das Verhalten der Kund:innen auf jeder Seite des Shops zu identifizieren. Weitere Mittel sind Kundenumfragen und Interviews, Voice-of-Customer-Forschung, Wettbewerbsanalysen, emotionale SWOT-Analysen und das Erstellen psychologischer Profile von Kund:innen.
- Identifiziere, was du deinen Kund:innen sagen musst. Sobald du die emotionalen Auslöser deiner Kund:innen identifiziert hast, entwickelst du die Strategie darum herum, formulierst deine Hauptbotschaft, skizzierst die Customer Journey, erstellst Hypothesen zur Behebung von Problemen und setzt deine Ziele.
- Überlege, wie du deine Botschaft kommunizieren wirst. Hier kommen überzeugendes Design, Konsumpsychologie und emotionale Auslöser ins Spiel. Anhand aller Informationen und Recherchen, die du gesammelt hast, wählst du Text, psychologische Farben, kognitive Verzerrungen, Social Proof, Hauptbild und sogar die Schriftarten aus, die du testen möchtest, um diese Emotionen auszulösen.
- Führe A/B-Tests durch. Kontinuierliche Optimierung, Datenanalyse und das Finden neuer Wege, um überzeugende Kundenreisen zu schaffen, die die Probleme deiner Kund:innen lösen.
Du wirst feststellen, dass dieser Prozess ein wenig wie der Optimierungs- und Wachstumsprozess aussieht, jedoch mit einem Fokus auf emotionaler Überzeugung und qualitativer Forschung (Umfragen, Interviews usw.):
Der Schwerpunkt auf qualitativer Forschung ermöglicht es dir, kundenorientiert statt produktorientiert zu arbeiten. Dies ist wichtig, denn was für den einen Shop funktioniert, funktioniert möglicherweise nicht für den anderen.
Hohe Valenz und hohe Erregung könnten beispielsweise eine schlechte Wahl für deinen Shop sein. Oder vielleicht wird nur die Art und Weise der Umsetzung scheitern, aber du befindest dich im richtigen Sektor. Diese Unsicherheit zu beseitigen bedeutet, qualitative Forschung durchzuführen.
„Es reicht nicht aus, einen Blogbeitrag über Überzeugung zu lesen, ein E-Book darüber herunterzuladen oder ‚den einen Trick, der Kund:innen überzeugt‘ zu befolgen.“ − Talia Wolf, GetUpLift
Talia sagt, einer der häufigsten Fehler, die Marken machen, sei, blind den Best Practices zu folgen. „Es reicht nicht aus, einen Blogbeitrag über emotionale Überzeugung zu lesen, ein E-Book darüber herunterzuladen oder ‚den einen Trick, der Kund:innen überzeugt‘ zu befolgen“, sagt sie. „Diese Methode führt dazu, dass im Marketing Annahmen über Kund:innen getroffen werden, anstatt dass harte Arbeit geleistet und nachgeforscht wird.“ Jedes Publikum ist anders, deshalb musst du eine Methode an dein einzigartiges Publikum anpassen, anstatt dich auf eine Best Practice zu stützen.
Schreibe emotionale Texte
Techniken zur emotionalen Überzeugung lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: Texte und Design. Idealerweise arbeiten die beiden zusammen, um eine kohärente Geschichte zu erzählen und eine bestimmte Emotion hervorzurufen.
Emotionale Überzeugung in Texten kommt in zwei Formen vor: emotionale Wörter und emotionales Storytelling.
Emotionale Wörter sind auch unter der Bezeichnung emotionale Auslöser bekannt. Einige Wörter sind von Natur aus emotionaler als andere, sodass die spezifischen Wörter, die du verwendest, viel Bedeutung tragen.
Zum Beispiel:
- Privat oder geheim: Welches ist ein emotionales Wort?
- Schnell oder sofort: Welches ist ein emotionales Wort?
- Glücklich oder sorglos: Welches ist ein emotionales Wort?
Wenn du geheim, sofort und sorglos geraten hast, hast du recht. Hier sind einige andere emotionale Wörter:
- Gelassen (hohe Valenz, niedrige Erregung)
- Erhoben (hohe Valenz, niedrige Erregung)
- Befreit (hohe Valenz, niedrige Erregung)
- Leicht (hohe Valenz, niedrige Erregung)
- Meditativ (hohe Valenz, niedrige Erregung)
- Zentriert (hohe Valenz, niedrige Erregung)
- Mutig (hohe Valenz, hohe Erregung)
- Tapfer (hohe Valenz, hohe Erregung)
- Eifrig (hohe Valenz, hohe Erregung)
- Wagemutig (hohe Valenz, hohe Erregung)
- Dynamisch (hohe Valenz, hohe Erregung)
- Im Flow (hohe Valenz, hohe Erregung)
- Verletzlich (niedrige Valenz, niedrige Erregung)
- Gefangen (niedrige Valenz, niedrige Erregung)
- Bedroht (niedrige Valenz, niedrige Erregung)
- Machtlos (niedrige Valenz, niedrige Erregung)
- Unsicher (niedrige Valenz, niedrige Erregung)
- Gelähmt (niedrige Valenz, niedrige Erregung)
Ein einzelnes Wort treibt deine Conversion Rate nicht in die Höhe. Bei einigen Wörtern ist es wahrscheinlicher, dass sie Emotionen auslösen, als bei anderen, was du zu deinem Vorteil nutzen kannst. Versuche, in deinen Texten emotionale Wörter zu streuen. Denk daran, dass dies nur Beispiele sind. Die besten emotionalen Wörter stammen aus deiner qualitativen Forschung.
Storytelling ist ein weiterer wichtiger Bestandteil emotional überzeugender Texte. Du kannst Geschichten auf verschiedene Weise erzählen. Vielleicht erzählst du eine Geschichte davon, wie das Produkt entstanden ist, die Geschichte anderer Kund:innen über dein Produkt, oder du hilfst den Kund:innen, sich mit Hilfe deines Produktes ihre eigene Geschichte vorzustellen.
Es liegt an dir, aber eine Geschichte ist viel nachvollziehbarer als eine Marke. Denke an Unternehmen, die dank ihres furchtlosen Protagonisten eine treue Anhängerschaft aufgebaut haben − wie etwa Apple.
Nutze emotionales Design
Emotionale Überzeugung im Design kommt in drei Formen vor: Schriftart, Farbe und Bilder.
- Schriftart: Bist du mit der Idee vertraut, dass es nicht darum geht, was du sagst, sondern wie du es sagst? Online ist die Schriftart das Wie. Die Schriftart, die du wählst, beeinflusst die Emotionen deiner Besucher, ob du es realisierst oder nicht.
- Farbe: Das Internet ist mit dem Konzept der Farbpsychologie vertraut. Laut einer Studie, die von der Seoul International Color Expo durchgeführt wurde, sagen mehr als 92 % der Menschen, dass Farbe eine wichtige Rolle bei Kaufentscheidungen spielt. Allerdings handelt es sich dabei nicht um Schwarz und Weiß. Zum Beispiel gilt Gelb als eine sehr glückliche Farbe. Aber alles ist kontextabhängig, und die Farbe muss mit anderen emotionalen Designelementen zusammenarbeiten, und nicht allein funktionieren.
- Bilder: Pfeile, Hände und Augen können die Aufmerksamkeit steuern. Gesichtsausdrücke können Emotionen hervorrufen. Und schließlich können die Emotionen einer Person direkt die gleichen Emotionen bei jemand anderem auslösen. Kontraste können die Aufmerksamkeit auf emotionale Wörter und Bilder lenken.
Wichtig ist, dass all diese Faktoren zusammenarbeiten. Texte und Design funktionieren nicht isoliert, und Farbe allein reicht für die emotionale Überzeugung nicht aus.
Führe A/B-Tests durch
Du musst mehrere Techniken der emotionalen Überzeugung gleichzeitig einsetzen. So wirst du wahrscheinlich ein Variante deines Shops erhalten, die ganz anders aussieht als der ursprüngliche. Während du möglicherweise an kleinere A/B-Tests gewöhnt bist, macht es in diesem Fall mehr Sinn, groß zu denken.
Ein Beispiel: Ein A/B-Test, bei dem du ein paar emotionale Wörter einführst oder die Farbe eines Buttons änderst, wäre unbedeutend. Stattdessen solltest du einen völlig neuen Look & Feel testen, der darauf abzielt, die gewünschte Emotion hervorzurufen.
Ermittle einen emotional Ausgangspunkt
Wie fühlen sich deine Besucher:innen, wenn sie auf deiner Website landen? Untersuche diese Frage während deiner qualitativen Forschungsphase, um einen Ausgangspunkt zu erhalten.
Zum Beispiel könnte jemand, der ein Outdoor-Bekleidungsgeschäft besucht, sich abenteuerlustig fühlen, während jemand, der die Website einer Bank besucht, gestresst sein könnte.
Du möchtest eine bestimmte Emotion hervorrufen, richtig? Das gelingt dir nur, wenn du die durchschnittliche Ankunftsstimmung deiner Besucher:innen kennst.
Verwende emotionale Überzeugung, um den Umsatz zu steigern
Menschen sind emotional und treffen größtenteils emotionale Entscheidungen. Viele Menschen sehen das vielleicht gerne anders, Tatsache ist aber, dass das Gehirn einfach nicht so rational und logisch funktioniert, wie viele glauben. Glücklicherweise gibt es im E-Commerce-Marketing Möglichkeiten, diese Tatsache zu nutzen.
Emotionale Überzeugung ist der Schlüssel, um Käufer:innen dazu zu bringen, die Entscheidungen zu treffen, die du möchtest – und du kannst heute noch beginnen, einige dieser Taktiken anzuwenden.





